Naher Osten: Der Frieden wird auch in Genf entschieden

Die Herausforderung

 

Genf wird erneut im Rampenlicht des internationalen Geschehens stehen. Indem die Generalversammlung der Vereinten Nationen der Schweiz den Auftrag erteilt, eine Konferenz mit den Unterzeichnerstaaten der Genfer Konventionen einzuberufen, rückt die Stadt erneut ins Rampenlicht. Die Entscheidung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem viele die Rolle Genfs und seine Sichtbarkeit auf der internationalen Bühne seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine in Frage stellen. Sergei Lawrow hat die Schweiz bewusst gekränkt, indem er sie zu einem der vielen Feinde Russlands erklärte. Kaum mehr vorstellbar, dass erneut verfeindete Staatschefs wie einst Reagan-Gorbatschow oder Biden- Putin nach Genf reisen.

Genf schlüpft in die Rolle der schlafenden Schönheit. Es wahrt den Schein, aber hält sich in unruhigen Zeiten zurück. Denn während am East River hart über Politik diskutiert wird, geht es bei der UNO in Genf beschaulicher zu. Dort die Hard Power, die negativen Auswirkungen der neuen geopolitischen Konfiguration und die Blockaden des Sicherheitsrats. Hier die Soft Power, das Tagesgeschäft, das sich in allen Aspekten des sozialen und öffentlichen Lebens niederschlägt.

Die internationalen Aufgaben sind in den letzten Jahren nicht weniger geworden, im Gegenteil. Dies gilt selbstverständlich für den humanitären Bereich, in der Flüchtlingshilfe, im Gesundheitsbereich – wie die Coronapandemie gezeigt hat –, für die Menschenrechte, wie auch in der offiziellen oder parallelen Diplomatie. Zahlreiche diskrete Treffen ermöglichen es, Kanäle für Kontakt und Austausch zwischen Kriegsparteien aus der ganzen Welt offen zu halten.

Vor kurzem wurde bekannt, dass die NATO in Genf ein Verbindungsbüro eröffnen will. Die Nachricht löste eine Debatte über die Vereinbarkeit des Büros mit der Schweizer Neutralität aus. Diese Entscheidung der NATO hat jedoch vor allem gezeigt, dass Genf ein unumgänglicher Ort des Multilateralismus bleibt, auch wenn er oft missachtet wird. Manche sagen, man müsse nicht neutral sein, um seine Dienste anzubieten. Die Türkei und Katar spielen eine Vermittlerrolle und erzielen Ergebnisse. Aber die Erfahrung mit guten Diensten, das Wissen über Schlichtung und die erfahrenen Unterhändler sind in Genf.

Die Tatsache, dass die Schweiz der Depositarstaat der Konventionen ist, macht sie zu einem idealen Ort für die Konferenz, die von den Vereinten Nationen gewünscht wird. Ihre internationalen Kompetenzen sind überzeugende und beruhigende Pluspunkte. Das Votum der Versammlung verpflichtet die Schweiz, aber es ist eine Gelegenheit, die es zu nutzen gilt.

Bei der Nahostkonferenz wird die 4. Konvention im Mittelpunkt stehen. Sie befasst sich mit dem Schicksal von Zivilisten, insbesondere in den besetzten palästinensischen Gebieten. Alle Unterzeichnerstaaten der Konventionen sollen teilnehmen. Aber keine Präsidenten. Sie wird nicht wie die Ukraine-Konferenz auf einem steilen Berg wie dem Bürgenstock stattfinden, um ihr Ansehen zu erhöhen. Aber sie wird alle daran erinnern, das Völkerrecht einzuhalten, den Wunsch nach einem Ende der Feindseligkeiten verdeutlichen und vielleicht einen Weg zum Frieden skizzieren. Das Ziel mag heute hoch gesteckt, ja sogar unerreichbar erscheinen, aber das Vorgehen ist sinnvoll. Um das Völkerrecht zu verteidigen, sind ständige Bemühungen unerlässlich. Genf trägt dazu bei.

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